• Mensch & Umwelt

Digitale Freiheit für Menschen mit Behinderung

Wie frei sind wir eigentlich digital unterwegs? Und können Menschen mit Behinderung diese Freiheit genauso in Anspruch nehmen wie Menschen ohne Handicap? Der letzteren Frage widmet sich das Test.Labor Barrierefreiheit von und für Menschen mit Behinderung. Es ist das erste Usability-Labor Deutschlands und wird von der Stiftung Pfennigparade betreut. Die Erkenntnisse des Labors dürften für Produzent*innen und Anbieter*innen digitaler Dienstleistungen bald sehr begehrt sein, bleiben doch aufgrund des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes nur noch wenige Jahre bis 2025 Zeit, um z.B. Online-Banking, Geld- und Ticketautomaten, E-Commerce und vieles mehr auf einwandfreie Barrierefreiheit umzugestalten.

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Im neu eröffneten Test.Labor Barrierefreiheit der Stiftung Pfennigparade testen erstmals Menschen mit schwerwiegenden Behinderungen im Rahmen von Usability-Tests digitale Produkte wie Apps, Touch-Displays oder Websites sowie Dienstleistungen auf Barrierefreiheit. Ziel ist es, Unternehmen, Gemeinden und Behörden dabei zu unterstützen, Barrierefreiheit bereits in der Produktentwicklung mitzudenken.

Acht Mitarbeitende mit teils schweren Behinderungen prüfen zunächst die digitale Zugänglichkeit unterschiedlichster Produkte und Dienstleistungen. Das Angebot soll Entwickler*innen in Unternehmen, Gemeinden und Behörden unterstützen, von Beginn an barrierefreie Produkte zu entwerfen. Im neuen Test.Labor der Pfennigparade können sie live erleben, wie Menschen mit Einschränkungen arbeiten und Technologien nutzen. Die Entwickler*innen können auf diesem Weg aus nächster Nähe erfahren, wie E-Rollstuhlfahrer*innen, die mit dem Mund den Joystick führen, digitale Produkte nutzen oder wie blinde Menschen mit Screenreader und einer Braille-Zeile arbeiten.

Foto © Pawel Czerwinski on Unsplash

Entwickler möchten Produkte erstellen, die allen Menschen Vorteile bringen. Nur wissen sie oft nicht, welche Anforderungen durch Einschränkungen entstehen. Deswegen bieten wir im Test.Labor den direkten Austausch mit den Usern mit Einschränkungen an.“

Susanne Baumer, Leiterin des Test.Labors Barrierefreiheit der Pfennigparade

Auch das Test-Team selbst profitiert: Die Behinderungen und der Umgang damit werden zur zentralen Kompetenz. Neue Technologien helfen das Leben einfacher zu machen, doch oft nicht für alle Menschen. Ein Kopierer beispielsweise lässt sich mit einer App leichter steuern als über das winzige Display am Gerät. Ein Erklärvideo ersetzt die meist seitenlange Bedienungsanleitung. Verlangt jedoch die App eine Drei-Finger-Bedienung können Menschen mit Bewegungseinschränkung sie nicht bedienen. Auch können Menschen, die nicht hören oder nicht sehen, einem Erklärvideo nur teilweise folgen.

Geldautomaten sind für viele Menschen die primäre Quelle für Bargeld. Damit auch Menschen mit Einschränkungen selbständig Geld abheben können, müssen die am Bildschirm dargestellten Informationen über einen Kopfhöreranschluss abrufbar sein und das Touch-Display auch im Rollstuhl sitzend erreicht werden. Die digitale Barrierefreiheit nimmt durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, der deutschen Umsetzung des European Accessibility Acts, zwischenzeitlich Fahrt auf. Anbieter*innen von Online-Banking, Geld- und Ticketautomaten sowie E-Commerce müssen bis 2025 barrierefreie Systeme vorlegen. PCs und Software sollen künftig für Menschen mit Behinderungen selbstständig nutzbar sein. Die Produkte müssen sämtlich den vier Prinzipien der Barrierefreiheit genügen, d.h. sie müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein (Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)). Um dieser Forderung nachzukommen, braucht es neben dem Wissen um technische Normen auch Usability Tests.

Die Pfennigparade wurde Anfang der 1950er Jahre als Bürgerbewegung zur Bekämpfung der Polioepidemie gegründet und begleitet seither Menschen mit Körperbehinderung und anderen Beeinträchtigungen. Mittlerweile in allen Lebensphasen und Lebenswelten. Die maßgeblichen Ziele dabei sind Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung und die Unterstützung dabei, selbstbestimmt größtmögliche Lebensqualität zu erreichen.

Mit dem Test.Labor Barrierefreiheit bietet die Stiftung Pfennigparade Unternehmen die Chance, sich für die Zukunft aufzustellen,“ erklärt Dr. Jochen Walter, Vorstand der Stiftung. „Zugleich gehen wir einen weiteren notwenigen Schritt in Richtung berufliche Teilhabe von Menschen mit schweren Behinderungen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt noch nicht arbeiten können. Sie finden hier einen geschützten und unterstützen, modernen Arbeitsplatz.“ Das Konzept richtet sich an Unternehmen und Organisationen, die als Kund*innen bewusst die Pfennigparade in ihrer Vision unterstützen, Menschen mit Körperbehinderung auf ihrem Weg vom Leistungsempfänger*innen zu Leistungserbringer*innen zu stärken.

Denn für ein solidarisches Miteinander auf Augenhöhe und den Weg in ein gutes Leben für Alle, braucht es die Intergration von Menschen, die mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen den Alltag erleben, auf allen Ebenen. Auch deshalb unterstützt Deutschlands erste Gemeinwohl-Bank das Test.Labor Barrierefreiheit der Stiftung Pfennigparade mit Mitteln aus ihrem Gewinn-Sparverein.

Sparen, spenden und gewinnen:

Kund*innen der Spada-Bank München können monatlich beliebig viele Gewinn-Sparlose zu je sechs Euro kaufen. Je 4,50 Euro pro Los und Monat sind der Sparanteil; je 1,50 Euro pro Los und Monat investiert jede/r Gewinnsparer*in in den Topf für Gewinne und Spenden des GSV.  Mit jährlich rund 2,5 Millionen Euro unterstützt der Gewinn-Sparverein so gemeinnützige Projekte in der Region, die eine soziale und ökologische Transformation mitgestalten.