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Gendern für eine vielfältige(re) Gesellschaft

Beim Gendern geht es nicht nur um das Gender-Sternchen oder die Gender-Gap. Eine gendersensible Sprache fördert das Aufweichen verkrusteter Vorstellungen über lediglich zwei Geschlechter im kollektiven Verständnis.

Und dass es mehr als binäre Geschlechtsidentitäten gibt, ist mittlerweile gesellschaftlicher Konsens. Sprache dient als Instrument vor allem dazu, diesen Konsens mehr und mehr im gesellschaftlichen Miteinander zu intergieren und agiert dabei als Treiberin und Umsetzerin zugleich für die Transformation hin zu einer vielseitigeren Gesellschaft.

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Das Gendern ist da. Ein Begriff, der vor wenigen Jahren noch relativ ungedeuted auftauchte, ist heute präsenter denn je. Doch einen leichten Einzug in unseren Sprachgebrauch hat das Gendern deshalb noch lange nicht. Das liegt auch daran, dass viele nicht so genau wissen, wie richtig gegendert wird und dass es – wie viele andere Themen auch, die alte Verhaltensmuster aufbrechen wollen – erstmal auf gehörigen Widerstand stößt. Deshalb braucht es Geduld, einen langen Atem und vor allem Aufklärung darüber, warum Gendern sinnvoll ist, unsere Sprache durch das Gendern nicht unbedingt verunstaltet wird und wie es richtig geht.

Verwechslungsgefahr

Rund um das Thema Gendern und gendersensible Sprache schwirren mehrere ähnlich klingende Begriffe in unseren Köpfen und in der gesellschaftlichen Diskussion. Doch was bedeutet jetzt eigentlich was? Eine Übersicht:

Genus bezeichnet das grammatikalische Geschlecht in unserer Sprache. Mehrzahl: Genera
Gender ist ursprünglich ein Begriff der Sozialwissenschaften. Es wird auch mit „soziales Geschlecht“ übersetzt, das die Geschlechtsaspekte zusammenfasst, die eine Person in Gesellschaft und Kultur im Unterschied zu ihrem rein biologischen Geschlecht (Sexus) beschreibt. Seit den 1970er Jahren untersucht die Geschlechterforschung (engl. Gender Studies) das Verhältnis der Geschlechter, deren Rollen, Ordnung und hinterfragt kritisch deren gesellschaftliche Entstehung und Konditionierung.
– Das Wort generisch ist ein Adjektiv und bedeutet verallgemeinernd.

Die Gechlechter unserer Sprache:

In der deutschen Sprache haben wir drei Genera und entsprechende Artikel, wenn wir von Dingen sprechen. Für Menschen gibt es lediglich zwei Genera: die und der, also Frau und Mann. Ganze Wörter sind gemäß des gesellschaftlichen Rollenverständnisses nur den zwei Geschlechtern zugeordnet, die somit einiges über unsere Denkmuster aussagen. Das hat auch Twitter-Userin Quaselette festgestellt, die eine Liste mit gebräuchlichen Begriffen mithilfe der Twitter-Community erstellt hat. Die Liste zeigt auf, dass viele Berufsbezeichnungen ohne ein Geschlechterpendant oder eine geschlechtsneutrale Bezeichnung daherkommen, obwohl diese mittlerweile von allen Geschlechtern ausgeübt werden.

Sprache hat Einfluß auf strukturelle Entwicklung

Und so ist es nicht verwunderlich, dass der Begriff Doktormutter eher ungewöhnlich erscheint, denn tatsächlich liegt der Anteil weiblicher Professurinhaberinnen in Deutschland weit unter dem der männlichen. In Bayern sogar auf dem traurigen vorletzten Platz im Ländervergleich bei nur 22,4 %. Zugangsbarrieren machen es aufrgund des Geschlechts Frauen z.T. schwerer, in der Wissenschaft voranzukommen.

Mehr als binär

Doch was sich im gesellschaftlichen Bewusstsein neben dem Bedürfnis der gleichberechtigten Anrede von Frau und Mann immer mehr herausschält, obwohl es sich bisher kaum in unserem alltäglichen Sprachgebrauch abbildet: es gibt mehr als männlich und weiblich. Mehr als 0 und 1. Nichtbinäre Menschen, also Menschen deren Geschlechtsidentität weder auf männlich noch weiblich zutrifft, waren bis vor kurzem in unserer Sprachwelt, und damit generell für viele schwer vorstellbar. Der sprachliche Ausschluß stellt eine Form der Diskriminierung dar – denn Sprache ist vielmehr als das gesprochenes Wort. Sprache bildet, weitet den Horizont, stellt Konventionen in Frage und hat Macht. Deshalb ist es wichtig Sprache als kraftvolles Instrument für mehr Verständnis für eine vielfältigen Gesellschaft einzusetzen. Es braucht eine gendersensible Sprache – und das geht nur gemeinsam.

In seinem Urteil von 2017 hat das Bundeverfassunggericht genau das entschieden: Es gibt mehr als zwei Geschlechter und eine fehlende Möglichkeit der Eintragung eines dritten Geschlechts z.B. bei Angabe des Personenstands, stellt einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar.

Das grammatikalische und das biologische Geschlecht

Die generische Verwendung von Begriffen, meist in der männlichen Form, gibt es seit langer Zeit. Die des generischen Femininums, bei dem männliche Vertreter bei der Verwendung der grammatikalisch weiblichen Form mitgemeint sind, hat sich erst durch die Feminismus-Bewegung gebildet, ist jedoch eher selten anzutreffen.

Bei vielen Wörtern in der deutschen Sprache für Berufe, Funktionen und Rollen stimmen grammatikalisches und biologisches Geschlecht überein. Für diverse Menschen tut sich da eine Lücke auf – auch weil deren Wahrnehmung in der Gesellschaft noch recht „neu“ ist.

Und da die individuelle Geschlechtsidentität ein sehr persönliches Thema ist, bedarf es einer sensiblen Sprache dafür. Sprache wächst und passt sich kontinuierlich an. Wir finden Begriffe, die unsere Gesellschaft oder Kultur besser wiedergeben und unsere Sprache entwickelt sich parallel dazu. Wie z.B. das Wort googeln, dass als Neologismus für die Suche im Internet steht. Es ist eine in den allgemeinen Gebrauch übergegangene sprachliche Neuprägung, das heißt: ein neu geschaffener sprachlicher Ausdruck.

Beim Gendern geht es nicht nur darum, die nichtbinäre Form der Worte mittel Sternchen oder Gap zu integrieren, die oftmals nur für die Schriftsprache eine Lösung darstellt und nicht offensichtlich aufzeigt, wie sie auf die gesprochene Sprache übertragen werden kann, sondern auch darum, unsere Sprache um geschlechtsneutrale Begriffe und Formen zu erweitern. Da das Bedürfnis nach geschlechtsneutralen Begriffen stetig wächst, setzt sich der Verein für geschlechtsneutrales Deutsch dafür ein, dass geschlechtsneutrale Begriffe mittel- bis langfristig Teil des natürlichen Sprachgebrauchs werden. 

Doch wie gendern wir nun richtig und sensibel?

Die Geschlechterdiversität in der geschriebenen Sprache:

Sprache ist eine Form der Wertschätzung. Wenn wir einen Menschen in seinem Sosein annehmen, zeigen wir dies auch mit unserer Sprache. Das heißt auch, dass wir nicht ein Geschlecht annehmen, einfach weil es der Name nahelegt oder das Aussehen einer Person. Eine Möglichkeit auszudrücken, dass die Geschlechtsidentität unbekannt ist, oder wenn es sich um eine gemischte Gruppe handelt, ist das Gender-Sternchen. Statt eines Sterns kann auch der Genderdoppelpunkt oder die Gendergap, die im Grunde die gleiche Bedeutung haben, eingesetzt werden.

Begriffe, die nicht gendern

Berufsbezeichnungen sind i.d.R. ein Bereich, in dem Gendersensibilität empfehlenswert ist – erscheint der Mensch doch recht deutlich vor dem inneren Auge, wenn von der Ärztin oder dem Krankenpfleger gesprochen wird. Bei Stellenanzeigen begegnen wir meist dem Zusatz (m/w/d), der eine genderneutrale Bezeichnung anstrebt. Für nichtbinäre Personen ist es dennoch freilich nur eine Krücke, denn der Begriff an sich ist klar dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet.

Auch allgemeine Begriffe transportieren oftmals eine Voreingenommenheit bezüglich der Geschlechtsidentität. Der Fahrersitz, das Rednerpult, die Empfangsdame, der Seemann, die Rabenmutter oder der Fußgängerweg sind nicht genderneutral. Manch ein Begriff lässt sich einfach und schnell durch eine neutrale Alternative ersetzen: Redepult, Gehweg, Autositz. Bei vielen jedoch ist Feingefühl oder auch eine komplette Umformulierung nötig. Wer sich mit dem Gendern schon länger befasst, kann auf Neologismen zurückgreifen. Der Verein für geschlechtsneutrale Sprache hat dazu ein System für geschlechtsneutrale Begriffe und Formen entwickelt, dass leicht erlernbar und leicht aussprechbar ist. Die neuen grammatischen Formen bilden ein neues Genus (grammatisches Geschlecht), das der Verein Inklusivum nennt und das sich innerhalb des Vereins noch im Prozess der Konsensfindung befindet.

Neutrale Begriffe, die nicht gegendert werden müssen

Es gilt eine einfache Regel in der deutschen Sprache: Worte, die auf –kraft, -enz, -ung oder –schaft enden, sind meist genderneutral. Belegschaft, Assistenz, Reinigungskraft – diese Begriffe sind geschlechtsneutral und auch im Plural verwendbar.

Nichts bleibt gleich

Nichts ist so beständig wie der Wandel hat schon Heraklit von Ephesus vor fast 2.500 Jahren festgestellt. Das trifft auch auf unsere Sprache zu. Und wer Texte von vor 100 Jahren zu Gesicht bekommt, hat nicht selten Verständnisschwierigkeiten. Denn auch in dieser, ob der langen Entwicklungsgeschichte unserer Sprache nur ein Wimpernschlag anmutenden kurzen Zeitspanne, hat sich unsere Sprache weiter dem gesellschaftlichen Wandel angepasst. Und das ist auch gut so.

Als erste Gemeinwohl-Bank Deutschlands leben wir Solidarität allen Menschen gegenüber als eine der vier Säulen der Gemeinwohlökonomie. Als nachhaltige Bank fühlen wir uns zudem den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung verpflichtet, die u.a die Geschlechtergleichheit beinhalten.

Deshalb gendern wir in unserer Kommunikation nach innen und außen. Diese Umstellung ist bei einem gewachsenen Unternehmen mit 90-jähriger Geschichte nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen, doch wo ein Anfang ist, da ist der Weg bereitet. Diesen möchten wir weiter gehen, um unseren Teil für eine gleichberechtigte und vielseitige Gesellschaft mit und durch unsere Sprache zu leisten.